Pacifiction Frankreich, Deutschland, Portugal, Spanien 2022 – 165min.

Filmkritik

Albert Serras neues Meisterwerk

Filmkritik: Kilian Junker

Der katalanische Dandy Albert Serra stellt uns seinen neuen Film «Pacifiction» vor: ein okkulter Thriller vor dem Hintergrund des verlorenen Paradieses, der von einem außergewöhnlichen Benoît Magimel getragen wird. Ein Film, der im Rahmen der nicht-kompetitiven Sektion Highlights des GIFF (Geneva International Film Festival) als Schweizer Premiere gezeigt wurde.

Was ist eine Fiktion, die von jeglicher Erzählung losgelöst ist, gleichgültig gegenüber jeglichen Drehbuchzwängen? Albert Serra geht das Wagnis ein, diese Frage mit «Pacifiction» zu beantworten, zwei Stunden und 45 Minuten visuelles, tentakelartiges, formloses und grenzenloses Delirium. Er folgt dem «Hochkommissar» De Roller - in einer postkolonialen Position, die den französischen Staat bei einer überwiegend indigenen Gemeinschaft vertritt -, dessen Konturen als galanter Mann nicht ganz klar zu erkennen sind, der entschieden falsch ist und in seinem weißen, übertrieben sauberen Anzug eine schwere Last trägt. Ein Mafioso? Ein zwielichtiger Zuhälter? Wahrscheinlich das und noch viel mehr. Getragen von der meisterhaften Leistung eines selten so guten Benoît Magimel, entsteht «Pacifiction» aus der extremen Spannung, die Serra als Marionettenspieler seiner Figuren in die Beziehungen zwischen den Schauspielenden einbringt.

«Pacifiction» ist von einer ständigen Paranoia durchdrungen, die nicht nur die Beziehungen zwischen den Protagonisten prägt, sondern auch den Film selbst: Die Einstellungen dehnen sich aus und lassen den Zuschauer in der Feuchtigkeit dieser tropischen Nächte oder im unermüdlichen Rollen des Ozeans die erdbebenartigen Vergiftungen erahnen, die das Leben auf diesen Inseln bestimmen. Der schleichende Kapitalismus, der in dem verrufenen Nachtclub, in dem sich die Figuren bewegen, dargestellt wird, die unheilvolle Missionierung, die in der Inselwelt von Tahiti wie ein Pilz aus dem Boden sprießt, der latente Postkolonialismus - alles trägt zu dem Chaos bei, das zum letzten Drittel des Films führt.

Eine kollektive Halluzination, die von einem Elektro-Rhythmus angetrieben wird, in dem das Bild nicht mehr mit der Musik synchronisiert ist, um den Zuschauer in diesen Tanz zu werfen, den er nicht mehr verstehen kann. Ein giftiger Thriller, aus dem man nicht unversehrt herauskommt und den man unbedingt im Kino entdecken sollte.

Übersetzung aus dem Französischen von Killian Junker durch Maria Engler.

12.04.2024

4.5

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