Brainwashed USA 2022 – 107min.

Filmkritik

Eine aufrüttelnde Dekonstruktion von Sexismus im Film

Théo Metais
Filmkritik: Théo Metais

Die Regisseurin Nina Menkes nimmt über 175 Filme unter die Lupe, um den systemischen Sexismus als visuelles Erzählwerkzeug des Kinos zu analysieren. Eine spannende Entmystifizierung und gleichzeitig eine Einladung, über Geschlechterrollen und das Kino nachzudenken.

Von «Metropolis» über «Eyes Wide Shut», mit Zwischenstopps bei »The Breakfast Club», «Once Upon a Time in Hollywood», «Blau ist eine warme Farbe», «Die Lady von Shanghai», «Blade Runner» und «Wie ein wilder Stier»: Auf der Grundlage eines Vortrags hat die Regisseurin Nina Menkes eine wahre Masterclass geschaffen, um den berüchtigten male gaze im Kino zu untersuchen und dabei zu verstehen, wie viele Meisterwerke die Darstellungen von Frauen immer weiter vereinheitlicht haben. «Brainwashed» zieht eine direkte Linie zwischen der sexuellen Objektivierung auf der Leinwand und Diskriminierung, Gewalt und der Vergewaltigungskultur in unserer Gesellschaft. Der Film wird so zu einem Werk von seltener Gründlichkeit und Bedeutung.

Verehrt, gehätschelt, als unantastbar präsentiert und dann immer wieder kopiert – die Liste der Darstellungs-Standards weiblicher Figuren ist so lang wie die Liste der dabei mitschwingenden Missachtungen. Angefangen 1927 mit Fritz Langs «Metropolis», über Martin Scorseses «Die Zeit nach Mitternacht», Francis Ford Coppolas «Apocalypse Now», «Brian De Palma»s «Carrie - Des Satans jüngste Tochter» und viele andere Filme, entschlüsselt Nina Menkes minutiös die Subjekt-Objekt-Beziehung, die durch die visuelle Rhetorik im Kino hergestellt wird. In der eindringlichen, meist direkten Beweisführung kommt alles vor: Bildausschnitt, Kamerabewegung, Beleuchtung, Erzählperspektive. Die Filmemacherin nimmt ein ganzes Jahrhundert Kino unter die Lupe, um uns verständlich zu machen, wie die siebte Kunst zum Sammelbecken für patriarchalische Normen und Fantasien geworden ist.

Begleitet wird sie bei ihrer Demonstration von der Filmkritikerin Laura Mulvey (die als erste den Begriff male gaze geprägt hat), der Schauspielerin Rosanna Arquette, der Regisseurin Julie Dash (der wir vor allem «Daughters of the Dust» (1991) verdanken), Catherine Hardwicke («Twilight - Biss zum Morgengrauen»), die Archivarin May Hong HaDuong, Eliza Hittman («Niemals Selten Manchmal Immer») und Joey Soloway («Transparent»).

«Brainwashed» stellt die politische Bedeutung des Kinos, seine Wirkungen und seine Verantwortung gegenüber dem Publikum in den Fokus. Nina Menkes zitiert dabei Michel Foucault, bell hooks, Audre Lorde und Agnés Varda und versucht, die Herrschaft über die Narrative und Darstellungsweise zurückzugewinnen. Ein durch und durch lehrreicher Dokumentarfilm.

01.11.2023

5

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