Nightmare Alley USA 2021 – 150min.

Filmkritik

Aus dem Wahn der Macht entspringt eine bösartige Lyrik

Sven Papaux
Filmkritik: Sven Papaux

Mit der Verfilmung des grossen Werks von William Lindsay Gresham findet Guillermo Del Toro eine Spielwiese, die er nach seinem Geschmack anpasst, um sich in die Welt des Spiritismus und in die 1940er-Jahre hineinzuversetzen. Ein Film, der so schwindelerregend und verführerisch scheint wie die Illusion der Macht selbst.

Stanton Carlisle (Bradley Cooper) kommt zu einem Jahrmarkt und trifft dort Clem (William Dafoe), den Leiter der Show. Bald wird er Angestellter und lernt auch Zeena (Toni Collette) und ihren Mann Pete (David Strathairn) kennen, die ihm einige Tricks lehren, um den Mentalismus zu beherrschen. Stan hat hohe Ambitionen, und zusammen mit der schönen Molly (Rooney Mara) hat er mit seinen Auftritten vor der New Yorker Elite grossen Erfolg. In seiner ehrgeizigen Karriere kreuzt Stan den Weg einer charmanten, eiskalten und unerbittlichen Blondine (Cate Blanchett), die den Wendepunkt seiner Karriere markiert. Aber diese Begegnung wird ihn dazu bringen, Fehler zu machen.

Im Theater sind Diebe oft die verlockendsten Darsteller. Guillermo Del Toro fand in dem Roman von William Lindsay Gresham eine Inspiration, die es ihm ermöglichte, sein düsterstes Werk zu inszenieren. Ein Remake wurde bereits 1947 unter der Regie von Edmund Goulding gedreht. 75 Jahre später bringt der mexikanische Filmemacher seine grossartige Qualität zurück, indem er uns eine exzellente Parabel über den menschlichen Zustand zeichnet, die ebenso abscheulich wie halluzinatorisch ist. Denn hinter Stans brennendem Wunsch, reich und mächtig zu werden, baut Del Toro eine kraftvolle und grausame Psychoanalyse auf, die uns die Gier der Menschheit vor Augen führt.

Je tiefer der Film in Stans Seele eindringt, desto schillernder wird «Nightmare Alley». Gespielt von einem Bradley Cooper, der genauso stark ist wie Del Toros Regie, ist sein Charakter eine Projektion von Gresham selbst, besessen von seiner alles verzehrenden Leidenschaft für Tarot und Spiritismus. Der amerikanische Autor verwendete Tarot, um seinen umfangreichen Roman zu strukturieren. Gresham sah im Tarot Glaubwürdigkeit und Seriosität. Die Gedanken des verstorbenen Schriftstellers werden uns gezeigt, als Zeena Stan bittet, beim Legen der Karten für sie nicht auf Spiritismus zurückzugreifen. Die einzige Spur von Wahrheit in dieser spiritistischen Täuschung ist ein einfacher Aufruf zur Ordnung. Und wie ein Zeichen des Schicksals werden die Karten einen Schritt voraus sein ...

Guillermo Del Toro mischt die Karten neu und produziert einen atemberaubenden Film, in dem sich der Walzer der Charaktere intensiviert, – ohne dabei einige Momente der Schwäche zu vermeiden. Aber diese Geschichte kann durch nichts getrübt werden. Es hat genug, um das Publikum in die dunklen Gewässer der Rederei zu ziehen.

Cate Blanchetts erschütterndes und zugleich wunderbares Lachen, Mollys sanftes Gesicht, gespielt von der stets perfekten Rooney Mara und Richard Jenkins als wohlhabender Ezra Grindle. Diese Charaktere bevölkern einen Film, dessen Illusion einen in den Bann zieht und zweieinhalb Stunden lang nicht mehr loslässt. Es ist unmöglich, die Augen vom Bildschirm zu wenden . Alles ist miteinander verwoben, um eine teuflische Handlung aufzubauen.

Guillermo Del Toro beschwört in «Nightmare Alley» keine Monster. Doch dieser Film ist vielleicht sein machiavellistischster. Er bringt die ganze Monstrosität des Individuums mit einem chirurgisch präzisen Schluss auf den Höhepunkt. Wir werden von Stans rasantem Wettlauf um die Macht berauscht. Von der Verführung bis zum Verrat ist die Grenze auf Messers Schneide verschwindend gering. Die grosse Raffinesse des Films - und des Buches - liegt in der Illusion, die Kontrolle zu haben, bis zum Höhepunkt des Spektakels, bis man in etwas fällt, das stärker ist als man selbst.

Übersetzung aus dem Französischen von Sven Papaux durch Alejandro Manjon.

21.01.2022

4.5

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Kommentare

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RobertdeNirosta

vor 7 Monaten

Kino-Highlight aus dem verhauten Corona-Jahr 2021. Der Film ist eine echt schöne Abwechslung zum üblichen Hollywood-Einheitsbrei.
Stellenweise etwas langatmig erzählt, doch die geniale Darstellerriege und die elegant-düstere Atmosphäre macht die langsame Erzählweise wieder mehr als wett. Ein klassischer Film Noir eben mit der typischen Handschrift von Regisseur del Toro.
Wertung : 5/5 ZaubertricksMehr anzeigen


stochi

vor 2 Jahren

Shape of water war besser. Dieser Film ist nur noch durchschnittlich


Patrick

vor 2 Jahren

Irgendwie kommt die erste Hälfte des Filmes wie ein Film~Mix von:Die kleine Meerjungfrau (2018 Version) & The Shape of Water daher,in der 2.ten Hälfte wird’s etwas Psychologischer und spannender sowie mit einem genialem & fiesem Filmende verfeinert.Leider wirkt der Film mit der langen Film Laufzeit etwas langatmig aber der geniale Darsteller~Cast sowie die Pompöse Ausstattung macht das ganze wieder wett.Fazit:Ein Filmgenuss für den besonderen Filmgeschmack.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 2 Jahren


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