Ava Frankreich 2017 – 105min.

Filmkritik

Lebenslust trotz drohender Dunkelheit

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Ein 13-jähriges Mädchen droht zu erblinden – und stürzt sich dennoch voll ins Leben. Ava ist ein einfühlsamer Mix aus Coming-of-Age-Romanze und (Familien-) Drama, der von phantastisch-surrealen Bildern, bizarren Tagtraum-Sequenzen und einer positiven Grundstimmung durchzogen ist - trotz der Thematik. Hinzu kommt ein fabelhafter Cast, der den Film trägt.

Nachdem Maud (Laure Calamy) von der drohenden Erblindung ihrer Tochter Ava (Noée Abita) erfahren hat, entschließt sich, Ava einen unvergesslichen Sommerurlaub zu bereiten. Ava hingegen nutzt die Zeit, um sich schon einmal auf ein Leben ohne Sehvermögen vorzubereiten. Und: Sie entführt einen pechschwarzen Hund, der es ihr angetan hat. Auch vom 18-jährigen Besitzer (Juan Cano) des Tieres geht eine merkwürdige, aber anziehende Aura aus.

Ava ist das Regie-Debüt der erst 27-jährigen Regisseurin Léa Mysius. Sie drehte ihren ersten Spielfilm im Sommer 2016 im Département Gironde, nahe Bordeaux. Zum ersten Mal auf der großen Leinwand ist auch Jungstar Noée Abita zu sehen. Seine Weltpremiere erlebte Ava auf dem diesjährigen Filmfest in Cannes.

Das Hauptaugenmerk der dramatischen Komponente des Films liegt weniger auf der nahen Erblindung Avas: Im Zentrum steht vielmehr das schwierige Verhältnis zwischen Ava und ihrer Mutter. Reibereien zwischen Beiden sind an der Tagesordnung. Besonders schämt sich Ava für das Verhalten der Mutter, als diese sich auf eine Affäre mit einem Einheimischen einlässt. Den Höhepunkt ihrer komplexen, brüchigen Beziehung bildet eine Szene, in der Ava ihren Unmut über das peinliche „Liebesgebaren“ ihrer Mutter Ausdruck verleiht – und ein paar Kinder heimlich dabei zusehen lässt, wie sich Maud mit ihrem Freund vergnügt.

Darstellerisch überzeugt vor allem die überwältigende Noée Abita. Sie verleiht Ava reichlich emotionale Stärke und Selbstvertrauen. Dies sorgt auch dafür, dass sie die Nachricht über die Augenerkrankung nicht in ein tiefes Loch stürzen lässt. Im Gegenteil: sie nimmt ihr Schicksal an und wappnet sich für die Zeit der Dunkelheit – voller Tatendrang und Elan. Und so sind dann auch die Szenen, in denen Ava das „Blind sein“ übt, alles andere als traurig oder voller Tragik. Mit ihrem geklauten „Blindenhund“ und verbundenen Augen läuft sie schon bald über Hausdächer und durch den Park.

Zu etlichen feinfühligen, intensiven Momenten kommt es auch im Zuge der langsam erwachenden Sexualität Avas. Mit dem sympathischen Juan erlebt sie eine erste, leidenschaftliche Sommerliebe, welche die Regisseurin hie und da in unwirkliche, an Traumsequenzen erinnernde Bilderwelten kleidet. Etwa, wenn die Liebenden mit einem Gewehr Strandurlauber berauben – als kriegerische Ureinwohner verkleidet und komplett blau bemalt.

18.09.2017

4

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Kommentare

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Yvo Wueest

vor 7 Jahren

Im Mittelpunkt dieses empfehlenswerten französischen Sommerfilmes: die erblindenden Augen und die Sichtweise der jungen und genialen Hauptdarstellerin Noée Abita. Die mit schwarzem Hund und erster Liebschaft, bald auf der Flucht, im Kern authentisches Leben und Freiheit sucht. Noch im Genuss der warmen, satten Bilder, realisieren wir: Pubertät ist, wenn die Erwachsenen schwierig werden.Mehr anzeigen


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