Nebel im August Deutschland 2016 – 126min.

Filmkritik

Unbedingt sehenswert

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Filme über die NS-Vergangenheit gibt es zuhauf, weshalb es umso bemerkenswerter ist, dass Nebel im August den Zuschauer packt und nicht mehr loslässt. Behandelt wird in Kai Wessels Historiendrama ein finsteres Kapitel, das auf der großen Leinwand bislang nur wenig Beachtung gefunden hat. Am Beispiel eines wahren Schicksals beschreibt die deutsch-österreichische Koproduktion das grausame "Euthanasie"-Programm der Nazis, dem zwischen 1939 und 1944 mehr als 200'000 psychisch kranke und behinderte Menschen zum Opfer fielen.

Von einem Kinderheim zum nächsten weitergereicht, landet der 13-jährige Ernst Lossa (Ivo Pietzcker), versehen mit dem Stempel "Nicht erziehbar", Anfang der 1940er Jahre in einer süddeutschen Nervenklinik. Anstaltsleiter Dr. Veithausen (Sebastian Koch) erkennt die Standhaftigkeit des Jungen und spannt ihn in den Arbeitsalltag der Heil- und Pflegeeinrichtung ein. Während Ernst dem Hausmeister zur Hand geht und außerdem Bekanntschaft mit der liebenswerten Epileptikerin Nandl (Jule Hermann) macht, beginnt er, langsam zu begreifen, dass den Patienten nicht nur geholfen wird. Immer wieder verschwinden oder sterben Insassen. Und irgendwann ist sich der Jugendliche sicher, dass Veithausen systematisch Tötungen anordnet. Einfach hinnehmen will er die schreckliche Gewissheit jedoch nicht. Stattdessen plant er eine gemeinsame Flucht mit Nandl.

2008 erschien der Tatsachenroman "Nebel im August", der die Lebensgeschichte des Ernst Lossa nachzeichnet. Anders als im Buch konzentrieren sich der historienerprobte Regisseur Kai Wessel (Hilde, Die Flucht) und Drehbuchschreiber Holger Karsten Schmidt ausschließlich auf die Zeit in der Nervenheilanstalt. Einen Ort, an dem es neben großem Leid auch kleine Hoffnungsschimmer gibt. Charakterisiert wird der Protagonist als gewitzter, eigenwilliger, aber hilfsbereiter Teenager, der sich gegen das ihn umgebende Unrecht nach besten Kräften auflehnt. Zu einer strahlenden Heilsfigur stilisiert ihn das in weiten Teilen zurückhaltend inszenierte Drama allerdings nicht, was das Geschehen umso realistischer erscheinen lässt.

Differenziert wirkt – gerade im Kontext des Nazi-Films – auch die Darstellung des Klinikchefs, der offenbar wirklich der Meinung ist, das Richtige zu tun. Gemäß der NS-Ideologie beurteilt er seine Patienten nach ihrem Wert und der Frage, ob sie der "Volksgemeinschaft" noch als Arbeitskräfte nützlich sein könnten. Obwohl der Arzt den grausig-systematischen "Euthanasie"-Apparat verkörpert, zeichnen ihn die Macher nicht als klischierten Bösewicht. Vielmehr scheint in seinem Verhalten immer wieder eine menschliche Seite auf, die manchmal jedoch binnen eines Satzes in kühle Berechnung umschlägt.

Sehenswert ist Nebel im August auch deshalb, weil der Film sein erschütterndes Ende nicht mit pathetischen Gesten zukleistert, sodass man das Kino erst recht nachdenklich und mitgenommen verlässt.

14.11.2016

4

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Kommentare

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Patrick

vor 5 Jahren

Eindringliches Drama das lange nachhallt.Die Brutalität die im Film gezeigt wird spielt sich grösstenteils im Kopf ab,und das ist schwerer zu ertragen,als wen die Kamera voll draufhält..Darstellerisch ist Nebel im August auf Höchstem Niveau.

Zuletzt geändert vor 5 Jahren


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