CH.FILM

Der Kreis Schweiz 2014 – 102min.

Filmkritik

Liebe und Freiheit

Filmkritik: Andrea Wildt

Ernst Ostertag und Röbi Rapp sind das erste gleichgeschlechtliche Paar, das sich in Zürich das Ja-Wort gab. Das war 2003. Damals waren die beiden 73 Jahre alt. Bis zu diesem Tag der öffentlichen Würdigung ihrer Liebe mussten Ernst Ostertag und Röbi Rapp diese jahrzehntelang versteckt leben. Ihre Geschichte haben sie in einem Buch veröffentlicht, und Stefan Haupt hat sie nun verfilmt.

Der Kreis zeigt den Weg der beiden Männer von ihrem Kennenlernen auf den legendären Festen der Schwulen-Organisation "Der Kreis" Ende der 1950er-Jahre bis zum Einzug in die erste gemeinsame Wohnung, in der sie bis heute zusammen leben. Der Hauptteil des Films konzentriert sich auf die Jahre im Kreis: die rauschenden Feste, auf denen Röbi (gespielt von Sven Schelker) in Frauenkleidern humoristische Chansons sang, aber auch die politischen Diskussionen um ein selbstbestimmtes freies Ausleben ihrer Liebe und Sexualität in den Kellern des "Kreis". Als sich Morde in der Schwulenszene häufen, beginnt die Polizei hart vorzugehen. Es folgen Razzien, Erpressungen, Blossstellungen vor der Familie, Kollegen, in der Gesellschaft.

Der Kreis galt als Sprachrohr der Schwulen und wollte seine Mitglieder aus der Isolation herausführen. Die Organisation gab regelmässig eine Zeitschrift heraus, die neben erotischen Zeichnungen und Fotos Berichte über Homosexualität an seine Leser brachte. 1967 gibt die Organisation ihre Aktivitäten auf, aber Ernst Ostertag (gespielt von Matthias Hungerbühler) und Röbi Rapp kämpfen weiter: Der Literaturlehrer und der Travestiestar ziehen zusammen und geben eine neue Zeitschrift heraus.

Stefan Haupt erzählt die Geschichte um die couragierten Liebenden im Wechsel von fiktionalen Spielfilmszenen und Interviewsequenzen mit den wahren Protagonisten: Ernst Ostertag, Röbi Rapp und Mitstreiter von damals berichten in fernsehtypischen Talking Head-Einstellungen über die Zeit von damals. Dazwischen schieben sich Fotos der Protagonisten und ihrer Familien, alte Ausgaben der Kreis-Zeitschrift, Archivaufnahmen von Zürich.

Diese Mischform, aus der Not der Finanzierung entstanden, wird dem Film zum Segen. Die Kommentare und Erklärungen des echten Ernst Ostertag und Röbi Rapp geben der Geschichte Tiefe und der Charme und Lebensmut der über 80-Jährigen reisst einfach mit. Wie bereits in den vorherigen Arbeiten des Schweizer Filmemachers Stefan Haupt ist es weniger die Form als die Protagonisten des Films, die begeistern: eine Geschichte über die Liebe zur Freiheit, zum Leben, zur Vielfalt. Ein Stück Schweizer Geschichte. Heute so aktuell wie damals.

18.02.2024

4

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Kommentare

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julianne

vor 9 Jahren

Superfilm es zeigt die Schweiz von einer ganz anderen Seite!!!! Recht schockierend toll gespielt!!!!


Rockabilly_ZH

vor 9 Jahren

Wundervolle Kombination von Dokumentarfilm & Spielfilm. Wenn man bedenkt, es ist nicht 200 Jahre her und doch auch in der heutigen Zeit in manchen Ländern verachtet oder gar verboten


Rockabilly_ZH

vor 9 Jahren

überzeugend und wirklich sehr toll


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