Delta Deutschland, Ungarn 2008 – 96min.

Filmkritik

Die verstockten Dörfler und der Inzest

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

Mit der Unerbittlichkeit einer klassischen Tragödie inszeniert der ungarische Regisseur Kornal Mundruczó in seinem dritten Spielfilm die Geschichte einer verbotenen Liebe in den Weiten des rumänischen Donaudeltas und schafft dabei Bilder von grandioser meditativer Schönheit.

Mihail, ein junger Mann, kommt nach Jahren der Abwesenheit in sein Dorf am Ufer eines Flussdeltas zurück, um hier wieder Fuss zu fassen und sich ein Haus zu bauen. Mihails Mutter, eine abgehärmte und verbitterte Frau, hat wieder geheiratet; sie lebt mit ihrer Tochter und mit ihrem neuen Partner, einem gewalttätigen Finsterling, zusammen. Das Paar führt eine schäbige Kneipe, wo die - ausschliesslich männlichen - Gäste meistens stumm vor ihrem Glas sitzen, um periodisch den Frust über ihre triste Existenz mit Hochprozentigem hinunterzuspülen.

In dieser lethargischen und abgestumpften Atmosphäre wirkt allein die Ankunft einer Person von aussen als Provokation, und wenn diese Person auch noch Initiativgeist zeigt, jung und attraktiv ist, scheint der Konflikt vorprogrammiert. Doch Mihail setzt sich über die ungeschriebenen Normen der Dörfler hinweg: Er beginnt unbeirrt mit dem Bau seines Hauses, und treibt dafür zunächst einen hölzernen Steg immer weiter in den Fluss hinaus. Als ihm dabei seine Schwester wortlos zur Hand geht, beginnt das Gerede im Dorf und eine Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Gesprochen wird nicht viel im dritten langen Spielfilm des Ungarn Kornel Mundruczó, in ihrer aggressiven Sprachlosigkeit und in ihrem dumpfen Vor-Sich-Hinbrüten gemahnen die Figuren von "Delta" an frühe Filme von Rainer Werner Fassbinder. Auch dort herrschte jenes lastende Schweigen unter einer mit Händen greifbaren faschistoiden Grundstimmung gegen jeden, der aus der Reihe tanzte, was jederzeit in offene Gewalt umschlagen konnte. Doch "Delta" ist weder Sozialstudie noch Geschwisterdrama, vielmehr steht, wie bereits der Titel suggeriert, die Natur mit ihrem Lichtspektakel und ihrer Symphonie an Geräuschen in der grandiosen Flusslandschaft des rumänischen Donaudeltas als Protagonistin im Zentrum.

In seiner Langsamkeit erinnert Mundruczós Film ein wenig an die Werke seines Landsmannes Bela Tarr. Auch hier werden in schwelgerischen Tableaus und kühnen 360-Grad-Kameraschwenks die unüberschaubaren Weiten effektvoll in Szene gesetzt und verbreiten in ihrer Schönheit eine Atmosphäre kontemplativer Ruhe - ein bewusst schroffer Gegensatz zur Stimmung latenter Gewalt.

16.11.2009

4

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Kommentare

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vaxim

vor 15 Jahren

uff, das geht unter die Haut! Schaurig schöne Landschaften und Stimmungen, aber die Bedrohung ist mit Händen greifbar. Man sollte nach dem Kino nicht sofort ins Bett gehen! Vielleicht ein Glas Wodka vorher?


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