Comrades in Dreams - Leinwandfieber Deutschland 2006 – 100min.

Filmkritik

Vom Zauber des Zeltkinos

Andres Hutter
Filmkritik: Andres Hutter

Auf der Suche nach dem Zauber des Kinos reist Dokumentarfilmer Uli Gaulke nach Burkina Faso, Nordkorea, Indien und in die USA. Dort besucht er Kinobesitzer, die unter den unterschiedlichsten Bedingungen ihrer Liebe zum Film nachgehen. Das Gezeigte wird dabei kaum kommentiert, der Film setzt stattdessen ganz auf die Poesie der Bilder.

Vielleicht braucht man ja gar kein Multiplexkino, kein Dolby Surround, keine gigantische Leinwand und keine noch gigantischeren Getränkehalter in den Armlehnen flauschiger Kinosessel. Uli Gaulke zumindest sucht den Zauber des Kinos lieber in einem zerrütteten Zeltkino im indischen Hinterland. Er ist fasziniert von Menschen, die ihr Leben ganz der Leidenschaft zum Kino widmen.

Sein Film portraitiert deshalb vier Kinobesitzer, die unter ganz verschiedenen Bedingungen ihrer Berufung nachgehen: Anup reist mit seinem Zeltkino durch Indien und kann sich vor lauter Bollywood-Fans kaum retten. Lassane versucht die arme Bevölkerung Burkina Fasos in sein Kino zu locken. Die Nordkoreanerin Han Jong Sil will ihre Genossen mit Filmen zur Planerfüllung motivieren. Und Penny möchte den Bewohnern der Einöde Wyomings einen Treffpunkt bieten. Bei diesen Menschen findet Gaulke ein Stück heile Welt, in die das Kino den Zuschauer zu entführen vermag.

Das klingt vielleicht schrecklich banal und grenzenlos naiv, doch dies ist "Comrades in Dreams" bei aller Lieblichkeit nicht. Zu deutlich spricht aus der Betreiberin des Nordkoreanischen Kolchosen-Kinos der allgegenwärtige Staatsapparat, zu dringlich ist die Armut Afrikas zu erkennen. Doch auch wenn niemals versucht wird, diese Probleme auszublenden, stehen sie doch nicht im Zentrum des Films. Gaulke erzählt vielmehr von Menschen, die ihr Leben ganz dem Film widmen, seien dies nun koreanische Propagandafilme, schwülstige Bollywood-Schnulzen oder amerikanische Blockbuster.

Seinem Thema entsprechend ist "Comrades in Dreams" dann auch kein faktenbeladener Lehrfilm, sondern ein äusserst cineastisches und essayistisches Werk. Die Kamerafahrten sind sorgfältig inszeniert und dennoch unaufdringlich. Der Regisseur zeigt seine Protagonisten liebevoll und lässt sie ohne Off-Kommentar aus ihrem Leben erzählen. Gerne lauscht man den Geschichten dieser ungewöhnlichen Personen, die oft sehr humorvoll zu erzählen wissen. Gaulkes Film selbst ist schliesslich eine liebenswerte und unterhaltsame Flucht in ein Stück heile Welt. Nicht mehr und nicht weniger.

11.08.2008

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

cineast2001

vor 16 Jahren

Dieser Film ist eine gelungene Liebeserklärung an das Kino, seine Menschen und die Filme. Wir, die anspruchsvollen, Klimaanlagen verwöhnten sterilen Multiplex -Kinogänger des 21. Jahrhunderts mit unseren Komfortsitzen und THX beschallten Ohren, werden in eine Welt des Kinoabenteuers gesogen, wie wir es noch nie gesehen und erlebt haben.

Regisseur Uli Gauke entführt uns in Länder und Kulturen wie Indien, Burkina Faso, USA und DVR Korea. Länder, Menschen und Orte die unterschiedlich nicht sein könnten, welche allem Anschein nach auch nichts gemein haben.
Aber wir irren!!

Die Verbindung ist das Kino und die Leidenschaft dafür.

In diesen Ländern besucht der Regisseur Kinobesitzer und spricht über das was sie bewegt: Ihre Liebe zum Kino!

Auch wenn Kontinente und gesellschaftliche und soziale Systeme zwischen Ihnen liegen eines verbindet sie alle: Die Universalität der Träume, Leidenschaften und Erwartungen die sie haben, der Seh(n) süchte der Menschen und die Freude die das Medium Kino ihnen und ihren Besuchern bringt, aber auch die Probleme die dadurch auftreten.

Für mich ist Kino genauso ein Ort der Einkehr und des Zusammenseins. Ein Land oder eine Stadt in der ich nicht im Kino war, habe ich nie bewusst wahrgenommen.
Die sog. „ OFF“ Kinoszene (nicht das „ Multiplexmonster“ um die Ecke) sind meine Ziele.
Hier trifft sich der Querschnitt der Gesellschaft einer Stadt. Da schlägt das kulturelle (Kino-) Herz!

Diese 100 Minütige Dokumentation ist ein MUSS FÜR JEDEN KINOVERRÜCKTEN!!


Etwaige Rechtschreib- und Grammatikfehler in diesem Text sind gewollt und wurden hier mit Absicht versteckt. Wer sie findet, darf sie behalten oder auf eBay versteigern. Best viewed with open eyes and a human brain ver. 2. 0 or above.Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Vaiana 2

Gladiator II

Conclave

Red One - Alarmstufe Weihnachten