Seit der Frühzeit des Kinos gehören Gangster zum festen Figurenrepertoire. Spannende und bleihaltige Geschichten von Aufstieg und Fall gewiefter Krimineller entwickelten sich spätestens in den 1930er-Jahren dank Warner Bros. zu einem Publikumsmagnet. Filme wie Francis Ford Coppolas «Der Pate» (1972) haben Klassikerstatus erreicht.
Und auch heute ziehen Arbeiten über das organisierte Verbrechen und seine schillernden Vertreter die Zuschauer in den Bann. Weil das Verbotene uns häufig seltsam fasziniert, wollen wir euch die 13 besten Gangsterstreifen auf Netflix ans Herz legen. Hier sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein!
Artikel von Christopher Diekhaus
1. «Scarface»
Darum geht’s: Im Jahr 1980 erreicht der kubanische Flüchtling Tony Montana (Al Pacino) die USA und landet in einem Sammellager, in dem er einen Auftragsmord begeht. Als er das Camp verlassen kann, schlägt er sich fürs Erste als Tellerwäscher durch. Schnell taucht er jedoch in das Drogenmilieu von Miami ein und legt schliesslich einen kometenhaften Aufstieg hin, der auf seiner Skrupellosigkeit fusst.
Sehenswert, weil: Regisseur Brian De Palma und Leinwandstar Al Pacino den Exzess im Leben des Protagonisten geradezu rauschhaft einfangen. Eine knallige Musikuntermalung, eine derbe Sprache, ein wie entfesselt aufspielender Hauptdarsteller und unvermittelte Gewalteruptionen machen das sehr freie Remake von Howard Hawks‘ gleichnamigem Genreklassiker aus dem Jahr 1932 zu einem denkwürdigen, durchaus kontroversen Ereignis.
Die Faszination am Blutvergiessen kann man sicher kritisch sehen. Gleichzeitig wird uns die altbekannte Geschichte vom Aufstieg des Protagonisten zum Superkriminellen und seinem brutalen Fall hier allerdings furios wie selten dargeboten.
2. «Es war einmal in Amerika»
Darum geht’s: Eine Bande, der die beiden Freunde Noodles (Robert De Niro) und Max (James Woods) angehören, kommt, auch durch den Alkoholschmuggel während der Prohibitionszeit, zu einigem Reichtum. Nach dem Ende der Verbotsjahre stehen die Gangster vor der Frage, auf welchen Feldern sie sich nun betätigen sollen. Einsteigen können sie nun etwa in die Kämpfe zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern.
Sehenswert, weil: Der italienische Regiekönner Sergio Leone seinen letzten Film, der lose auf dem autobiografischen Roman von Harry Grey basiert, in eine beeindruckende Meditation über Freundschaft, Verrat und das uramerikanische Streben nach persönlichem Glück verwandelt.
Bei «Es war einmal in Amerika» schaut man gewiss nicht einfach so weg. Mit seinem langsamen Erzählrhythmus und seiner mehrere Jahrzehnte umspannenden, in einer anspruchsvollen Rückblendenstruktur präsentierten Geschichte fordert das Gangsterepos den Zuschauer vielmehr heraus. Lässt man sich auf dieses Mammutwerk ein, wird man mit einem reichhaltigen Panorama des Verbrechens und zwei starken Hauptdarstellern belohnt.
3. «Good Fellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia»
Darum geht’s: Schon als junger Bursche verdient sich der Halbitaliener Henry Hill (jung: Christopher Serrone, älter: Ray Liotta) seine ersten Sporen in einer von Paul Cicero (Paul Sorvino) geführten New Yorker Mafiafamilie. Dank seines Engagements steigt er schnell zu einer wichtigen Vertrauensperson auf und fädelt mit den gerissenen Gangstern Jimmy Conwoy (Robert De Niro) und Tommy DeVito (Joe Pesci) einträgliche Raubzüge ein. Nach einer Verurteilung kommt Henry im Knast erstmals mit dem Drogenhandel in Kontakt und verliert nach seiner Entlassung zunehmend die Kontrolle über sein Leben.
Sehenswert, weil: Martin Scorsese, der selbst in einem Viertel mit kriminellen Banden aufgewuchs, ein detailreiches Bild der Mafiastrukturen entwirft und seine Darsteller in zum Teil brillant improvisierten Szenen zu Höchstleistungen anspornt. Der im Mai 2022 überraschend verstorbene Ray Liotta glänzt als ein auf sein Leben und seine Laufbahn zurückblickender Gangster, den man trotz seiner lockeren Erzählerkommentare nicht als grossen Sympathen kennenlernt.
Wo Francis Ford Coppolas «Der Pate» den Verbrechern eine honorige Ausstrahlung verleiht, treten uns hier brutale, leicht reizbare Typen gegenüber, die manchmal nur aus Spass morden. Die fantastische, einige bemerkenswerte Plansequenzen hervorbringende Kameraarbeit von Michael Ballhaus und die unberechenbare Ausstrahlung des von Joe Pesci gespielten Tommy allein machen diesen auf wahren Begebenheiten beruhenden Film zu einem Erlebnis.
4. «L.A. Confidential»
Darum geht’s: Ein Massaker in einem Lokal, dem auch ein Polizist zum Opfer gefallen ist, lässt dessen Partner Bud White (Russell Crowe) und die beiden grundverschiedenen Cop-Kollegen Ed Exley (Guy Pearce) und Jack Vincennes (Kevin Spacey) zunächst unabhängige Ermittlungen anstellen. Bei ihren Nachforschungen kommen sie irgendwann einer unglaublichen Verschwörung im Los Angeles der 1950er-Jahre auf die Spur.
Sehenswert, weil: Es dem für Regie und Drehbuch (Ko-Autor: Brian Helgeland) verantwortlichen Curtis Hanson eindrucksvoll gelingt, den komplex-süffigen Roman von Krimispezialist James Ellroy überzeugend auf die Leinwand zu transportieren.
«L.A. Confidential» ist zackig erzählt, reich an charismatischen Figuren, eine kraftvolle Hommage an den Film «Noir» und spielt gekonnt mit dem Image der Filmhauptstadt Los Angeles als Sündenpfuhl. Dem Gangstergenre zuzuordnen ist die Literaturadaption vor allem deshalb, weil Unterwelt und Polizei, wie sich langsam zeigt, eng verschlungen sind.
5. «Bube, Dame, König, Gras»
Darum geht’s: Vier Freunde wollen bei einem illegalen Pokerspiel richtig abkassieren und beschaffen 100.000 Pfund, um sich einen Platz am Tisch zu sichern. Dummerweise läuft dann aber alles schief.
Am Ende stehen die Kleinganoven bei Mafiaboss Harry Londsdale (P. H. Moriarty) mit 500.000 Pfund in der Kreide und müssen das Geld so schnell wie möglich zurückzahlen. Die kriminellen Absichten der Nachbarn, von denen das Quartett durch Zufall Wind bekommt, könnten das Problem lösen…
Sehenswert, weil: Guy Ritchie den Spagat zwischen rüdem Gangsterstreifen und schräger Komödie erstaunlich gut hinbekommt. «Bube, Dame, König, Gras» erinnert ein wenig an die lässig-ironischen Filme Quentin Tarantinos, findet aber seine eigene Identität. Wie so oft bei Ritchie lautet das Motto «style over substance».
Das Drehbuch steckt allerdings voller amüsanter Einfälle. Und so manche brutale Spitze erwischt den Zuschauer auf dem falschen Fuss. Abwechslungsreich geht es hier auf jeden Fall zur Sache. Internationale Bekanntheit erlangten durch die britische Produktion Ex-Fussballer Vinnie Jones, der eine zweite Karriere als Schauspieler startete, und ein gewisser Jason Statham, der zu den Stars des modernen Actionkinos gehört.
6. «Ocean’s Eleven»
Darum geht’s: Der gerade erst aus dem Gefängnis entlassene Trickgauner Danny Ocean (George Clooney) plant einen gewaltigen Coup in drei bestens bewachten Casinos in Las Vegas, deren Besitzer Terry Benedict (Andy Garcia) ausgerechnet mit Dannys Ex Tess (Julia Roberts) zusammen ist. Für den spektakulären Raubzug kann der einstige Häftling eine Reihe von Spezialisten gewinnen.
Sehenswert, weil: Steven Soderberghs Neuverfilmung des Gaunerstreifens «Frankie und seine Spiessgesellen» (1960) eine überragende Lässigkeit versprüht. Garanten dafür sind natürlich vor allem die auftretenden Stars, denen man den Spass an der Arbeit jederzeit anmerkt. «Ocean’s Eleven» ist bestimmt nicht die beste Arbeit des Regisseurs, zeigt aber, wie reizvoll ein geschickt konstruiertes Heist-Movie mit reichlich schauspielerischer Power sein kann.
Leider wurde der Film in der Zwischenzeit von Netflix entfernt.
Zu finden ist er weiterhin auf: WOW und Apple TV
7. «Inside Man»
Darum geht’s: Der unter Korruptionsverdacht stehende Polizist Keith Frazier (Denzel Washington) wird zu einem Bankraub gerufen, den Dalton Russell (Clive Owen) eingefädelt hat. Parallel beauftragt Arthur Case (Christopher Plummer), der Eigentümer des Kreditinstituts, die Problemlöserin Madeleine White (Jodie Foster) damit, ein brisantes, für ihn enorm wichtiges Dokument aus einem der Schliessfächer zu sichern.
Sehenswert, weil: Der prominent besetzte Film einige spannende Twists aus dem Ärmel schüttelt und Regisseur Spike Lee in der optischen Gestaltung und der Inszenierung für Abwechslung sorgende Kontraste bei Verhandlern und Kriminellen einsetzt.
Viele Passagen mit Frazier sind mit Handkamera gedreht, wirken unruhiger, da die Polizei die Lage nicht überblicken kann, während die Passagen aus dem Inneren der Bank geordneter, aufgeräumter daherkommen. Kein Wunder, sind die Gangster den Cops doch stets ein gutes Stück voraus.
8. «The Departed – Unter Feinden»
Darum geht’s: Die Polizei von Boston will endlich den stadtbekannten irischen Mafiapaten Frank Costello (Jack Nicholson) drankriegen und schleust dafür den jungen, durch seine Familie mit dem Umfeld des Gangsterbosses verbundenen Absolventen Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) in die kriminelle Organisation ein.
Costello selbst hat allerdings in Person von Colin Sullivan (Matt Damon) bereits einen Maulwurf in der Ermittlungsbehörde platziert, der ihn über alle Entwicklungen auf dem Laufenden hält.
Sehenswert, weil: Martin Scorseses Remake des chinesischen Thrillers «Infernal Affairs» (2002) eine grimmige Milieustudie mit starken Darstellern, einer virtuosen Inszenierung und schonungslosen Handlungsvolten ist. Vor allem der raumgreifende Auftritt Jack Nicholsons bleibt einem im Gedächtnis haften und unterstreicht, wie sehr die Leinwandpräsenz des in den Ruhestand getretenen dreifachen Oscar-Preisträgers fehlt.
Apropos Academy Award: Der zuvor diverse Male nominierte, aber stets leer ausgegangene Scorsese konnte sich bei der Verleihung 2007 über den lang ersehnten Goldjungen für die beste Regie freuen.
9. «American Gangster»
Darum geht’s: Nach dem Tod seines Chefs, eines in Harlem angesehenen Gangsterbosses, baut der Afroamerikaner Frank Lucas (Denzel Washington) seine eigene kriminelle Vereinigung auf und bezieht in den Wirren des Vietnamkrieges sein Heroin direkt aus Rauschgifthochburg in Südostasien.
Der «Blue Magic» getaufte Stoff wird zu einem Erfolgsschlager. Zur selben Zeit soll der in einen Sorgerechtsstreit verwickelte Polizist Richie Roberts (Russell Crowe) eine Spezialeinheit im Kampf gegen den Drogenhandel auf den Strassen von New Jersey und New York aufbauen.
Sehenswert, weil: Denzel Washington eine eindrucksvolle, zwischen Fürsorge und Skrupellosigkeit oszillierende Performance abliefert und Regisseur Ridley Scott einige atemlos spannende Passagen arrangiert. Das letzte Drittel des auf wahren Begebenheiten beruhenden Films ist etwas überhastet. Und die Schuld, die die Hauptfigur mit ihrem Handeln auf sich lädt, wird ein wenig relativiert.
Interessant ist «American Gangster» dafür aber auch, weil hier, ähnlich wie in «Der Pate», der Versuch unternommen wird, das kriminelle Treiben mit familiären Aspekten und dem Streben nach dem vielbeschworenen American Dream zu verbinden. Nicht umsonst betont Lucas wiederholt, dass er sich als Unternehmer sieht, der im Grunde ein Markenprodukt wie jedes andere anbietet.
10. «Baby Driver»
Darum geht’s: Der Vollwaise Miles (Ansel Elgort), der wegen seines Milchgesichts von allen nur Baby genannt wird, leidet seit einem Unfall in Kindertagen unter Tinnitus und versucht, diesen mit Musik auszublenden. Seine formidablen Fahrkünste stellt er dem Profigangster Doc (Kevin Spacey) zur Verfügung, bei dessen Coups er stets den Fluchtwagen lenkt. Als der junge Mann jedoch die hübschen Kellnerin Debora (Lily James) kennenlernt, lockt ihn ein Leben ohne kriminelle Aktivitäten.
Sehenswert, weil: Es Regisseur und Drehbuchautor Edgar Wright tatsächlich schafft, aus einer ausgelutscht klingenden Gangsterstory um einen natürlich nur vermeintlich letzten Gefallen eine mit kreativen Ideen gespickte, erfrischend unterhaltsame Sause zu stricken. Wie in vielen Arbeiten des englischen Filmemachers nimmt die Musik eine für die Handlung bedeutende Rolle ein und ist perfekt auf das Geschehen abgestimmt.
Stark choreografierte Actionmomente werden um verspielt-amüsante Sequenzen wie einen in einer langen Einstellung gedrehten, musicalartigen Gang zum Coffee-Shop ergänzt. Einziger Wermutstropfen ist ein arg krawalliges Finale, das nur dank billiger Zufälle zustande kommt.
11. «The Irishman»
Darum geht’s: In einem Altenheim erinnert sich der frühere Auftragskiller Frank Sheeran (Robert De Niro) an seinen Werdegang in der Welt des organisierten Verbrechens. Über das Mafiamitglied Russell Bufalino (Joe Pesci) macht der ursprünglich als Lastwagenfahrer arbeitende Mann die Bekanntschaft des mächtigen Gewerkschaftsführers Jimmy Hoffa (Al Pacino), zu dessen persönlichem Leibwächter Sheeran aufsteigt.
Sehenswert, weil: Gangsterexperte Martin Scorsese seine alten Weggefährten Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci noch einmal zu echten Glanzleistungen treibt und sich an einem komplexen, auf Tatsachen beruhenden Epos versucht, das Gier und Gewalt als typisch amerikanische Phänomene kennzeichnet.
Viel Aufmerksamkeit wurde dem Einsatz digitaler Verjüngungseffekte zuteil, der garantieren sollte, dass die weit über 70 Jahre alten Hauptdarsteller auch jüngere Versionen ihrer Figuren verkörpern können. Interessanter Hinweis am Rande: Obwohl der mit rund dreieinhalb Stunden Laufzeit vielleicht etwas zu lang geratene Film in zahlreichen Oscar- und Golden-Globe-Kategorien nominiert war, gewann er bei den Verleihungen keinen einzigen Preis.
12. «Der schwarze Diamant»
Darum geht’s: Als ein wertvoller Edelstein in den Besitz des New Yorker Juweliers Howard Ratner (Adam Sandler) gelangt, gerät das Leben des spielsüchtigen Verkäufers völlig aus den Fugen. Ein eigenwilliger Sportstar und die Mafia machen dem Protagonisten schwer zu schaffen.
Sehenswert, weil: Hauptdarsteller Adam Sandler mit Nachdruck beweist, dass er mehr kann, als nur den Clown zu geben. Unter der Regie der Brüder Benny und Josh Safdie, deren Inszenierung eine mitreissende Energie entstehen lässt, legt der vor allem für Blödelkomödien bekannte US-Schauspieler die wohl beste Performance seiner Karriere hin.
Howard dabei zuzuschauen, wie er verzweifelt versucht, alles wieder in Ordnung zu bringen, ist bis zum bitteren Ende spannend und nervenaufreibend im positiven Sinne. Gerne darf sich Sandler in Zukunft öfters in Charakterrollen ausprobieren.
13. «Night in Paradise»
Darum geht’s: Der für die Mafia arbeitende Gangster Tae-gu (Tae-goo Eom) nimmt nach dem Mord an seiner Halbschwester und deren Tochter blutige Rache an einer anderen Gang und muss daraufhin das Weite suchen. Zwischenstation auf seiner Flucht nach Russland macht er auf der Insel Jeju, wo er der todkranken Jae-yeon (Yeo-been Jeon) begegnet. Unterdessen schaukelt sich in Seoul der Konflikt zwischen den Verbrechersyndikaten immer weiter hoch.
Sehenswert, weil: Es «I Saw the Devil»-Autor Hoon-jung Park fertigbringt, einen rauen Gangsterthriller mit einem melancholisch-stimmungsvollen Drama auf fesselnde Weise zu kombinieren. Das Drehbuch schlägt einige überraschende Haken. Die Action hat es in sich.
Verschont wird keine der Figuren. Und zwischen dem Protagonisten und der ruppigen Jae-yeon entsteht eine aufregende, romantisch angehauchte, aber nie eindeutig auserzählte Beziehung. Ein paar Schönheitsfehler im turbulenten Finale lassen sich da leicht verschmerzen!
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